Nun, Laura.
Was gibt es über Laura zu berichten?
Laura hat ein Problem.
Das ist schnell erzählt:
„Ich habe kein Problem.“
Sagt Laura.
Das ist auch so eines.
Laura.
Laura sagt so vieles.
Nicht mit Worten.
Laura hat ein Problem.
„Ich habe kein Problem.“
Sagt Laura.
„Ich möchte nur nicht
drüber sprechen.“
Der Kellner verzieht die
Miene. Zur Rechnung.
Drei Latte Macchiato, ein Espresso, zwei Mürbeteigkekse, einer
fehlte.
Die Quittung blätterte
sich durch blaue Augen. Sie fand ein Lesezeichen bei den zerknüllten
Mürbeteigkekspapierchen.
Ich hatte Latte, grüne,
nur Laura wechselte ihren Appetit.
Nun, was gibt es über
Lauras Geschmack zu berichten?
„Ich habe nicht.“
Bistro, rechteckige
Tische mit Alsterblick. Sonnenschein.
Laura hat ein Problem.
„Ich habe kein Problem. Ich mag's nur nicht, angestarrt zu werden.“
Sagt Laura.
Sagt sie nun lauter
werdend.
Der Kellner bellt sich
zurück an die Tischkante und stapelt die Tassen mit verlorener Fassung und
langen Armen. Die Sohlen geben die Töne. Es klimpert. Ein Löffel purzelt von
der Untertasse auf den Boden. Er mag die Lautstärke nicht.
Der Kellner hat ein
Problem.
„Ich habe kein Problem.“
Sagt Laura.
Ich nicke.
Ihr fehlte der dritte
Keks.
„Kann ich gleich
abziehen?“
Sagt der Kellner.
Der, mit dem Problem.
„…zwei Latte, ein Espresso…“, beantwortete mein Nicken.
„Nein.“
Sagt Laura.
„Wie Sie meinen. Dann
komme ich später noch mal wieder.“
„Es waren drei.“
„Drei...? Bis dahin kann
ich auch schon zählen. Nun legen Sie das Geld doch einfach auf das Tablett.“
Ein Kellner sollte
niemals mit der Nase rümpfen.
Dieser tat es.
Er deutete auf ein
verlassenes Gedeck hinter Laura. Lagen Geld und Quittung in stiller Eintracht.
Wie Mama und Papa. Dort klappte es. Ungehalten bediente er sich zum Nebentisch.
„Dreiii… Euro Fünf…zisch.“
Saaa… gte der Kellner
laut. Ein Mineralwasser. Eine Limette. Und zog es wie Kohlensäure durch den
Flaschenhals.
Ein Mann. Eine Quittung.
Ein Tablett. Geld.
Der Herr stieß auf. Eine
Serviette schützte die Etikette. Die Münzen klimperten sich zur
silbertablettblechernen Bezahlung. Daneben lag ein Mürbeteigkeks. Laura kniff
durch ihre Augen nach verborgener Appetenz. Der Kellner hat ein Problem.
„Der Kellner hat ein
Problem.“
Sagt Laura.
Sie sagt es so, daß er
ihren Blick nicht versteht. Sie sagt vieles so.
Sie sagt so vieles.
Laura hat ein Problem.
„Ich habe kein Problem. Ich
hatte nur einen.“
Latte.
Wir zahlen.
Wir wechseln.
Geld und Ort.
Ein paar Schritte.
Schritte…
Schritte…
Schritte. Da.
Nun, was gibt es über Lauras Vor-Lieben zu berichten?
Das ist schnell erzählt:
Laura hat ein Problem.
„Eine Kugel Himbeereis,
eine Kugel Zitrone, eine große Waffel.“
Eine Kugel Himbeereis,
eine Kugel Zitrone.
Eine große Waffel.
Laura hat ein Problem.
„Ich habe kein Problem.“
Jetzt schon Zwei an der
Waffel.
„Vier Kugeln. Haben Sie
auch Gewehre?“
Die Eiskugelverkäuferin
versteht meinen Witz nicht.
„Becher oder Waffel..?“
Die Eiskugelverkäuferin
hat ein Problem.
Sagt Laura.
Sie fragt mich.
„Fragen Sie mich..?“
Laura hat ein Problem.
„Nein, ihn. Kein
Problem.“
Ich tippe zweimal auf ‚Waffel‘.
Auf das Bildchen über
der Auslage.
Die Kugeln sträuben sich
aus den Magazinbottichen, eine seltsame Anhäufung. Von Handbewegungen folgt.
Erst kommen meine, dann ihre, dann die Hände der Eiskugelverkäuferin durcheinander.
Wir einigen uns auf: ‚Wer zahlt, wer hält das Eis.‘
Geld, Spitzwaffeln und
Worte wechseln sich mit losem Rückgeld, dann mit Schritten ab.
Wir kommen am Bistro
vorbei. Mit dem rechteckigen Kellner. An seinem Kellnerblick. An seinem Tisch,
den er nun bedient. Er erkennt uns am Schlendern.
Laut und deutlich,
langsam sprechend, reicht er zwei Gästen mit vier Latten das Silbertablett.
„Dan...ke.“
Zufrieden stellt er sich
gerade. Zackig wie ein Flasche Mineralwasser. Wenn sie geschüttelt wird.
Zufrieden bespritzt er uns mit einem Blickzisch. Ich habe sie gezählt: Vier Mürbeteigkekspapierchen liegen
dort.
Der Kellner hat ein
Problem.
„Ich habe kein Problem. Ich
habe Verantwortung.“
Sagt Laura.
„Banane.“
Sage ich.
„Ja, ja. Sagt sich
so leicht…“
„Sagte ich.“
Das Eis tropft
sich zu den Terrassen.
„Erdbeer, Vanille,
Haselnuß und…
…Ba…na…ne. Ist aber Panna Inglese.“
Laura glaubt mir nicht.
„Glaub' ich nicht.“
Probieren will sie
nicht.
Ich ziehe das bunte
Angebot zum Lecken von ihren Augen zurück und – angekommen – setze mich auf den Stufensitz.
Ich schaue mich um.
Laura nicht.
Laura kann nicht.
„Gibt Flecken.“
Ich wische mit der
freien Hand, eins, zwei, über die Sitzfläche. Und rücke etwas ab.
Laura ist groß. Ohne zu
gucken.
Laura hat ein Problem.
„Ich bleibe lieber
stehen.“
Laura steht auf einer
Stufe.
Sie schleckt sich durch
die Aussicht.
Laura ist sehr groß.
„Ich auch.“
Ich stehe wieder auf.
Laura ist wieder nur groß.
Ich bleibe auf meiner
Stufe.
Laura hat ein Problem.
Sie beugt sich beim
Schlecken vor.
Hält die rechte Hand
schützend über den schwarz-dunkelblauen Hosenanzug mit den weißen
Emailleknöpfen und bearbeitet gerade die Trennlinie zwischen Himbeere und
Zitrone.
Dabei dreht sie mit der
Linken an der Waffel, als gebe sie bei einem Superbike-Motorrad kurze Gasstöße.
Burnout.
Intermediates.
Ihre Zungenspitze
erinnert an eine Büroklammer.
Ihre Augen treiben auf dem
Wasser. Was gut ist:
Das obere Viertel der
Iris schlüpft dabei doppelt unter die emaillierten Lider.
Schlafzimmerblick.
Und das um halb Zwölf an
der Binnenalster.
Ich setze mich lieber.
Und umstülpe die Panna Inglese mit
meinen spröden Lippen, halte mich nicht auf, schlucke sie gleich in einem Stück
hinunter, um dem ungewohnten Geschmack der Nähe zu widerstehen. Haselnuß kommt
jetzt. Er weckt Erinnerungen.
„Beffer.“
„Ja, besser.“
Ich sortiere die
lebenserhaltenden Wege. Ich schlucke.
„Nein. Be-cher.“
„Becher..?“
Sagt Laura.
Laura stellt ihre
Heftklammerlippen kurz in die Ecke. Das Schlafzimmer verringert sich dennoch.
Zu einem Fünftel einer Bürocouch. Zitrone tropft auf ihre Fingerrücken.
Zwischen Stärke- und Ringfinger. Zweimal. Dann Himbeer.
Für eine kurze Zeit hält
die Oberflächenspannung.
„Weiß Du, was Dein
Problem ist..? “
Sagt einer von uns.
Während Himbeer- und
Zitronensoße sich auf der Zunge zu Speichel zersetzen.
Und bevor Erdbeer und
Vanille noch enden, sagt Laura so vieles.
„Becher. Genau.“
Sage ich.
Nur sagt sie es nicht
Worten.
*
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